Was ich beim Lesen der Reihe 365 Tage gelernt habe

Hallo ihr Lieben,

ich gebe es zu, ich habe die Bücher von Blanka Lipińska gelesen. Alle drei: 365 Tage, 365 Tage – Dieser Tag und 365 Tage mehr.

Und ich gebe auch zu, sie haben mich unterhalten, wenn auch nicht alle gleich und nicht ohne Kritik.

Auf die Bücher gestoßen bin ich über den gleichnamigen Netflix-Film 365 Tage, ohne den ich vermutlich nicht die Reihe gelesen hätte, da möchte ich ganz ehrlich sein. Die Handlung des ersten Films stimmt dabei bis aufs Ende weitgehend mit dem Buch überein. Ein Mafiosi entführt eine Frau, die er in einer Halluzination gesehen und in die er sich verliebt hat. Massimos Plan: Er will Laura 365 Tage lang gefangen halten, in der Hoffnung, dass sie sich in ihn verliebt. Klingt verrückt? Ist es auch!

Das Massimo im echten Leben kein Heiratsmaterial ist, beweist gleich der Anfang der Geschichte, der ziemlich kontrovers diskutiert wurde. Massimo bedrängt eine Stewardess und zwingt sie zum Oralverkehr, ohne dass sich diese wehrt. Zwar hat sie im Film nach diesem Vorfall eine Träne in den Augen, lächelt jedoch zeitgleich verzückt. Das wurde scharf verurteilt. Zu Recht wie ich finde! Ich stimme den Kritiken von 365 Tage an dieser Stelle voll und ganz zu.

Umstrittene Anfangsszene

Diese Anfangsszene ist Gewaltverherrlichend. Dabei müsste sie das gar nicht sein. Für mich stellt sie im Nachhinein betrachtet lediglich den Status quo des Protagonisten dar. Massimo ist ein Arschloch und nimmt sich mit Gewalt, was er will. Nur leider wurde das in meinen Augen nicht klar zum Ausdruck gebracht.

Das bisherige Naturell des Oberhauptes eines Mafia-Clans hätte man anders darstellen können. Denn das ist es in meinen Augen, was diese Szene bewirken soll, zu zeigen, dass Massimo Wiederspruch nicht gewohnt ist. Er hat die Macht, ist skrupellos und ohne jede Reue – ein echter Mafiosi eben, wie er einen in Krimis immer wieder begegnet.

Vermutlich würde meine ehemalige Deutsch-LK-Lehrerin das völlig anders sehen. Wir waren uns selten einig, was die Interpretation von Geschichten anbelangte 😉 Aber was die Szene ausdrücken sollte, ist mir ehrlich gesagt auch relativ egal, da es hier um mich geht, darum, wie ich die Szene empfunden und für mich interpretiert habe. Und diese lautet: Massimo ist ein Arsch – wenn auch ein ziemlich gutaussehender, weshalb ich den Film erst einmal weitergeguckt habe.

Massimos Status quo

Okay, vielleicht spielte auch der damalige Lockdown eine Rolle. Ich dachte: Bevor ich wieder die Postbooten auf der Straße beobachten gehe, schaue ich mir lieber den Schauspieler Michele Morrone und die unfassbar schönen Aufnahmen von Sizilien im Fernsehen an, wo Massimo kurz darauf wieder landet und Laura am Flughafen entdeckt. Er lässt sie verfolgen und später entführen. In seinem Schloss, in dem unzählige gemalte Bilder von ihr hängen, die er aus seiner Erinnerung heraus hat anfertigen lassen, erklärt er seine Beweggründe.

Hier beginnt für mich der Punkt, an dem ich mich auf die Geschichte einlassen konnte. Denn: Verliebt sich Laura bis zu ihrem nächsten Geburtstag nicht in ihren Entführer, lässt Massimo sie frei. Mir stellte sich sofort die Frage, ob ein Mafiosi sein Wort halten würde. Ich war neugierig und guckte weiter.

In einer kurz darauffolgenden Szene bittet Massimo Laura bei einem Abendessen ihn zu lehren, sanft zu sein. Für mich war das ein klares Indiz, dass er sich ändern wollte und für ihn noch nicht jegliche Hoffnung verloren ist. Dieser Ausblick gab mir die Möglichkeit, in ihm nicht nur den skrupellosen Mafiaboss zu sehen, sondern eine Filmfigur, dessen Entwicklung ich miterleben wollte. Und genau das tat er auch in meinen Augen, weshalb sich Laura in ihn verliebt und damit die zweite Kontroverse von Film- und Buch-Inhalt lieferte.

Das Stockholmsyndron

365 Tage wurde scharf dafür kritisiert, dass durch diese Geschichte das Stockholm-Syndrom verharmlost wird. Und da stimme ich zum Teil ebenfalls zu. Ich bezweifele, dass sich ein normaler, gesunder Mensch in einen Mafia-Boss verlieben würde, der einen entführt und gefangen hält. Aber: Es ist eine Geschichte und Blanka Lipińska hat mir ausreichend Gründe gegeben, mich auf sie einzulassen. Jedenfalls im ersten Teil.

Ja, die Geschichte ist ein wenig an den Haaren herbeigezogen, bedient das Klischee des reichen Alfa-Männchens, das seine Frau verwöhnt und beschützt und ist an manchen Stellen unlogisch sowie faktisch nicht immer nachvollziehbar. Realistisch betrachtet ist Massimo definitiv kein Heiratsmaterial.

Aber: Blanka Lipińska hat für mich ausreichend Magie kreiert, die es mir ermöglichte, mich auf die Geschichte einzulassen. Die Vorstellung, dass ein Mann in seinen Träumen eine Frau erblickt, die er anschließend fünf Jahre lang sucht, ist in meinen Augen romantisch. Und genau das erwarte ich von einer Geschichte, sowohl in Filmen als auch in Büchern. Das habe ich gelernt.

Ob klassischer Liebesroman oder erotischer – ich bin stets auf der Suche nach dem einen Richtigen und möchte am Ende des Tages ein würdiges Happy End, auch wenn ich dafür mehrere Bücher lesen muss. Und dieses Happy End wurde mir am Ende des Films vorerst durch einen ziemlich fiesen Cliffhanger verweigert. Daher habe ich mir die Bücher besorgt.

Vom Film zu den Büchern

Mir persönlich hat das Buch 365 Tage nicht so gut wie der Film gefallen, was vor allem an der Charakterdarstellung von Laura und Massimo lag. Die empfinde ich im Film als sympathischer. Und auch die erotischen Szenen waren nicht so beschrieben, wie ich es mag. Das ist aber nicht per se schlecht. Ich lese einfach keine Dark Romance. Die einzigen Bücher hierzu, waren die 50-Shades-of-Grey-Reihe und eben die von 365 Tage.

Leider wurde ich bei der letzteren zunehmend enttäuscht. Nicht weil die Bücher schlecht sind, sondern weil ich in Büchern etwas anderes suche. Ich habe mich auf den ersten Teil eingelassen, weil ich diese mystische Magie zwischen Laura und Massimo spürte. Dieses sich angezogen fühlen, trotz jeglicher Vernunft, als wüsste der Körper bereits, dass man zusammengehört, während sich der Verstand noch immer dagegen wehrt.

Diese Magie konnte für mich in 365 Tage – Dieser Tag und 365 Tage mehr nicht aufrecht gehalten werden.  Massimo und Laura erleben einen Schicksalsschlag nach dem nächsten, die zwar spannend geschrieben sind, mir aber nicht das Gefühl aus dem ersten Teil vermittelten konnten.

Achtung Spoiler

Bereits in Band zwei 365 Tage – Dieser Tag blickt sich Laura immer wieder nach anderen Männern um, obwohl sie von Massimo schwanger ist. Die Autorin versucht dies mit Hormonen zu erklären, nur leider habe ich in meinen beiden Schwangerschaften keinen Kontakt zu dieser Art von Hormonen gehabt. Statt Ich-will-Sex-Hormonen hatte ich Lauf-schnell-auf-die-Toilette-Hormone, entsprechend konnte ich es weder nachvollziehen noch wollte ich mich darauf einlassen.

Für mich war meine Schwangerschaft der Beweis von der Liebe zwischen meinem Mann und mir. In meinem Körper wuchs ein kleines Wesen heran, dass uns beide für den Rest unseres Lebens verbinden würde – unabhängig davon wie sich unsere Liebe zueinander entwickelt. Und dieses Empfinden hätte ich mir auch von Laura erhofft, die jedoch zusehends auf sexuelle Gelüste fixiert war.

Auch das empfinde ich objektiv betrachtet nicht als schlecht, es hat mir aber erneut gezeigt, dass bei mir in Romanen die Liebe im Mittelpunkt stehen sollte, und die erotischen Szenen diese nur unterstreichen. Die 365-Tage-Reihe hat den erotischen Charakter jedoch zunehmend in den Mittelpunkt gestellt, und danach suche ich in Büchern einfach nicht.

Wirklich enttäuscht wurde ich aber erst bei 365 Tage mehr. In dem Band dreht Massimo plötzlich jegliche positive Entwicklung zurück und mutiert wieder zu diesem fiesen Arschloch vom Anfang der Geschichte. Zwar wird Gewalt nun nicht mehr verherrlicht sondern kritisiert, aber es ist der brutalste Band überhaupt. Die Magie war verloren.

Irritierende Entwicklung

Irritierenderweise sollte nach Aussage der Autorin dieser Band dem Zweck dienen, das Stockholm-Syndrom nicht zu verharmlosen und Gewalt nicht zu verherrlichen. Nur leider hat der dritte Band genau das für mich am meisten getan. Denn wieder verliebt sich die Protagonistin in ihren Entführer, der nebenbei bemerkt ein Auftragsmörder und der größte Mafia-Konkurrent von Massimo ist.

Ihr zweiter Entführer Nachos wird als netter Typ dargestellt, der Laura die Welt zu Füßen legt. Nur leider fliegt er auch in der Weltgeschichte herum, um andere abzumurksen und ihnen den Boden unter den Füßen zu rauben. Reue zeigt er keine. Es ist halt sein Job, sagt er dazu. Und die von ihn getöteten Menschen waren alle böse. Aha. Na dann ist’s ja gut.

Anstatt sich in 365 Tage mehr zu einem guten Menschen zu entwickeln und seinen Job niederzulegen, übernimmt Nachos die Leitung des Mafia-Clans seines erschossenen Vaters und durchlebt keinerlei Entwicklung. Und hätte Laura sich nicht abermals in ihren Entführer verliebt, wäre das Stockholm-Syndrom deutlich weniger verharmlost worden. Für mich hat diese Wendung der Geschichte nicht funktioniert – vermutlich aber für Leser reiner Erotik-Romane.

Was ich gelernt habe

Ich für meinen Teil bereue nicht die Bücher gekauft zu haben. Als Autorin habe ich viel von der Reihe und den Kritiken gelernt. Während ich vor dem Lesen unsicher war, in welche Kategorien ich meine Bücher einordnen sollte, bin ich mir nun sicher. Ich schreibe Liebesgeschichten, nur gehört der Liebesakt für mich eben dazu. Er unterstreicht ersteres, steht bei mir aber nicht im Fokus der Geschichte, was mir meine Leser von Call me Santa bereits bestätigt haben.

Außerdem habe ich gelernt, dass es manchmal das Besondere braucht, um einen Leser in seinen Bann zu ziehen und nicht immer das Realistische. Ich möchte in Geschichten aus meinem Alltag gerissen werden, möchte Dinge erleben, die ich im echten Leben nicht erlebe, und auch nicht zwingend erleben möchte. Ich will mich trotz meines Verstandes in Büchern auf Abenteuer einlassen, die ich als Mutter und Ehefrau stets ablehnen würde.

Zu guter Letzt habe ich noch gelernt, dass man sich selbst treu bleiben sollte. Man kann es als Autor nie allen recht machen. Kritik gehört dazu, und man sollte natürlich auch aus ihr lernen. Aber nicht jede Kritik macht ein Buch besser und ist ein Garant es beim Ändern allen recht zu machen. Unsere Geschmäcker sind einfach zu verschieden. Und das ist auch gut so. 🙂

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