Warum ich im Präsens aus der Ich-Perspektive schreibe

Hallo ihr Lieben,

in einer Rezension meines weihnachtlichen Kurzromans Call me Santa – Die schönsten Weihnachtsgeschenke haben keine Hosen an, habe ich gelesen, dass sich die Bloggerin auf den ersten Seiten in meinen Schreibstil einlesen musste. Nach wenigen Seiten empfand sie ihn allerdings als erfrischend. Ihre vollständige Rezension könnt ihr gerne auf Amazon nachlesen.

Für sie war es anfangs irritierend, meine Geschichte in der Gegenwartsform Präsens zu lesen, und nicht wie sehr weit verbreitet, in der Vergangenheitsform Perfekt oder Imperfekt. Daher möchte ich euch heute einmal meine Beweggründe erklären, damit nicht der Eindruck entsteht, ich würde die Grundlagen des Romanschreibens nicht beherrschen.

Die Schreibratgeber

Tatsächlich habe ich sehr viele Schreibratgeber gelesen, bevor, beziehungsweise während ich meinen ersten Roman schrieb, der übrigens nicht mein Kurzroman Call me Santa war. Einige davon fand ich sehr gut und inspirierend. So zum Beispiel die drei Sachbücher von Stephan Waldscheidt Bessere! Romane! Schreiben! Sowie James Freys Schreibratgeber Wie man einen verdammt guten Roman schreibt. Und auch Vier Seiten für ein Halleluja von Hans Peter Roentgen kann ich euch wärmstens empfehlen.

Sie alle haben mir geholfen, meinen Roman zu schreiben und meinen Schreibstil zu verbessern. Und sie alle haben eins propagiert: Als Schreibanfänger niemals aus der Ich-Perspektive schreiben. Diesen Hinweis habe ich allerdings bewusst ignoriert. Nicht weil ich so arrogant bin, sondern weil ich finde, dass die Ich-Perspektive zu meinen Romanen am besten passt.

Was will der Autor?

Lustigerweise meinte meine Lektorin einmal zu mir, viele Schreibanfänger würden oft die Ich-Perspektive wählen, weil sie am einfachsten ist. In den Schreibratgebern stand hingegen die Warnung aus genau dem gegenteiligen Grund. Sie empfahlen die weit gängigere personalisierte Erzählperspektive, bei der man als Außenstehender aus der Sicht eines Protagonisten erzählt. Diese wäre nicht so kompliziert einzuhalten.

Tja, ich widerspreche beiden. Ich finde, weder die eine noch die andere anspruchsvoller oder schwieriger zu schreiben, denn ich habe beides schon gemacht. Beide Erzählperspektiven haben ihre Vor- und Nachteile. Und beide haben ihre Berechtigung. Daher sollte man sich vor Beginn des Schreibens genau überlegen, was man mit seinem Roman erreichen möchte.

Distanz schaffen

Die personalisierte Erzählperspektive, in der ein Autor in der dritten Person schreibt, schafft eine Distanz zwischen dem Leser und dem Protagonisten. Dieses birgt aus meiner Sicht den Vorteil, dass sich der Leser nicht zwingend mit dem Protagonisten identifizieren muss. Ich erlebe seine Geschichte aus der Distanz heraus, blicke auf ihn hinunter und kann mich von ihm abgrenzen.

Das hilft vor allem bei Charakteren mit Ecken und Kanten. Über einen alkoholkranken Kriminalbeamten aus der Ich-Perspektive zu lesen, fände ich persönlich schwierig, da ich mich nicht mit ihm identifizieren könnte – vermutlich auch, weil es ein Mann ist. Da Thriller und Krimis aber für beide Geschlechter geschrieben werden, macht eine Erzählperspektive, die Abstand schafft, hier durchaus Sinn für mich.

Distanz überwinden

Ich möchte in meinen Liebesromanen aber keine Distanz zwischen meinen Leserinnen und meiner Protagonistin schaffen. Ich möchte euch das gleiche sehen und fühlen lassen, wie sie. Ihr sollt in den Charakter meiner Ich-Erzählerin eintauchen, euch ebenso wie sie fragen, was der andere gerade denkt, so wie es im echten Leben eben auch der Fall ist.

Natürlich ist es interessant, in die Köpfe verschiedener Protagonisten abzutauchen und die Gedanken des Gegenübers zu erfahren. Aber es ist eben nicht realitätsnah. Daher lasse ich euch in meinen aktuellen Büchern nur eine Sicht sehen, die andere müsst ihr aus den Dialogen herauslesen. Denn um ehrlich zu sein, wüsste ich auch nicht, wie ich euch eine männliche Sichtweise klar machen soll, wo ich die Männer bis heute nicht wirklich verstanden habe.

Warum Präsens?

Aus dem gleichen Grund verwende ich auch das Präsens anstelle des Perfekts – so wie es übrigens auch viele Kinderbuchautoren machen. In der Gegenwartsform zu schreiben, bedeutet, den Leser mitten ins Geschehen zu ziehen, ihn die Geschichte im hier und jetzt erleben zu lassen, nicht aus der Distanz heraus, wie es in der Vergangenheitsform der Fall ist. Kinder begeistert das offensichtlich mehr. Warum nicht auch Erwachsene?

Diese These unterstützt meiner Ansicht nach übrigens auch die Tatsache, dass Klappentexte grundsätzlich im Präsens geschrieben werden. Ist euch das bewusst gewesen? Mir ehrlich gesagt vor meinen Klappentext-Seminaren nicht, in denen es hieß: Nur das Präsens ist so spannend, dass es den Leser sofort in seinen Bann zieht. Ah ja, aber wieso schreiben Autoren das Buch dann nicht gleich ganz in dieser Form?

Mitten im Geschehen

Für meine Liebesromane erschließt sich diese Logik nicht für mich, für andere Bücher aber schon. Einen historischen Roman der im 17. Jahrhundert spielt in der Gegenwartsform zu lesen, fände ich jetzt erst einmal skurril, was nicht heißt, dass er nicht faszinieren könnte.

Auch bei blutrünstigen Büchern, mit vielleicht nicht ganz gesellschaftlich vertretbaren Charakteren, würde mir die Ich-Perspektive im Präsens sicher zu nahe gehen. In Liebesromanen mit prickelnder Erotik bin ich aber gerne mitten im Geschehen dabei.

Wie geht es euch mit den Perspektiven und Zeitformen? Bevorzugt ihr einen bestimmte Schreibstil oder lasst ihr euch gerne auf unterschiedliche in verschiedenen Genres ein? Ich freue mich auf eure Kommentare!

Kommentieren